Freitag, 21. Dezember 2012

Weltuntergang 2012

Seit ziemlich genau 5 Stunden und 8 Minuten ist nun die Welt untergegangen... oder eben auch nicht.
Etwas Zeit bleibt uns zwar noch aber ich bezweifle, dass der erhoffte Armageddon noch stattfinden wird.
Ob ich ihn mir wirklich erhoff(t)e? Jein. Zwischen dem tiefen Zorn auf meine Umwelt und dem Leben im Kreise ihrer und der Verbitterung, welche mich oft zu menschenverachtenden und welteleminierungswuenschenden Aussagen treibt, ist etwas, was mich daran glaubend macht, dass mein Leben besser werden wird, hoffend, dass die Welt eine Welt wird, in der man froehlich sein kann, ohne, dass es eine Ode an die Heuchlerei und Verblendung unserer Gesellschaft ist.
Es gibt Tage, da sollte man mir keinen Zuender fuer eine menschheitsvernichtende Waffe in die Hand druecken, denn ohne mit der Wimper zu zucken, ohne auch nur die geringste Gesichtsregung, wuerde ich ihn betaetigen, die Welt, in der wir leben, dahin befoerdern, wo sie meiner Meinung, meinem Willen, in diesen Tagen, nach hingehoert... ins Verderben, in die Hoelle, in den Tod gerissen, ausgeloescht...
An anderen Tagen wuerde ich ihn versaenken, wo ihn niemehr jemand finden wuerde.
Denn an anderen Tagen, da sehe ich das Gute in den Menschen. Ich sehe die Liebe, welche ich fuer jeden einzelnen empfinde und ich sehe, wie viel das Leben, meine Artgenossen und all die Schoenheit auf der Erde mir bedeuten.

So bitter und herzlos ich mich auch an den Tagen erster Kategorie anhoere, ich habe an ihnen keinen wirklichen Hass auf die Welt. Hass... habe ich nie, auf niemanden, auf nichts. Als ich klein war, ich schaetze 5 Jahre alt, gab es einen großen Streit zwischen meinem Vater und meiner Mutter. Ich erinnere mich nichtmehr an viel aber woran ich mich erinnere, ist die Unbeholfenheit, welche sich in mir breit machte.
Ich erinnere mich an die aufgerissenen Augen, an die zornigen Stimmen, an die Wut, welche die Luft zum brennen brachte und daran, dass es mein einzigster Wunsch war, zu helfen, sie wieder zufrieden zu machen, ihren Atem dazuzubringen, ruhiger zu werden. Ich weiß nichtmehr, warum ich meine Mutter ploetzlich ansprach, mit welchem Grund. Weiß nur, dass ich ihre Aufmerksamkeit auf mich lenken wollte, zeigen wollte, dass ich da bin. Sie drehte sich zu mir und ohne meinen Worten zu lauschen, bruellte sie mich an, sagte "Ich hasse dich" mit einem Blick in den Augen, welcher an Kaelte nur ein einziges Mal in meinem Leben ueberboten wurde, von meinem Vater. Doch dies geschah erst einiges spaeter. Fakt ist, ich denke, es war dieser Tag, der mich in vielen Punkten pregte. Ich habe niemals zu jemandem gesagt, dass ich ihn hasste. Ich habe dieses Gefuehl, welches man Hass nennt, nie erlebt. Eine viel zu große Bedeutung hat es an jenem Tag fuer mich bekommen. Es war verletzend, es war niederschmetternd und von so großer Kraft, dass es mir auf wohl Lebzeiten eine Emotion genommen hat. Ja, ich fuehle mich beklaut! Ich fuehle mich sehr beklaut! So sehr mich jemand auch verletzt, tut er mir noch so viel unrecht und selbst an Tagen, an denen meine eigene Wut die Luft zum brennen bringt, so, wie damals die meiner Eltern, ich kann keinen Hass empfinden. Das Gefuehl, welches mir wahrscheinlich dazu verhelfen wuerde, all die  negative Energie, welche sich in meinem Inneren seit Jahren anstaut, ohne, dass ich es wirklich wahrnehme, loszuwerden, wurde mir in fruehester Kindheit genommen.
Es ist nicht so, dass ich den Hass spueren wuerde und ihn nur nicht rauszulassen weiß.
Vielmehr ist es ein so dumpfes Gefuehl von Wut, ein Schatten des Hasses, wie ich ihn mir vorstelle, welches mich oft ergreift und wenn es verschwindet, nichts, als ein erschrockenes, verzweifeltes Maedchen hinterlaesst, welches sich selbst dafuer verachtet, dass es anderen Menschen nie das bieten kann, was ihnen zusteht. Hass, Liebe... etwas dazwischen ist es immer aber nie DAS Gefuehl.

Ein weiterer Fleck, den das damalige Ereignis auf den Seiten meines Innerem hinterlassen hat, ist wohl die Tatsache, dass ich mich oft unsichtbar fuehle, wie eine Randfigur, die nur das Schauspiel anderer betrachtet
und in der naechsten Situation bin ich der Hauptcharaktaer und alle um mich herum die Statisten.
Ich hoere mich selbst reden. Wenn ich leide, dann voller Genuss und ich liebe das Drama, welches sich in dieser kleinen Welt, zwischen meinen 4 Waenden ereignet. Mir ist egal, wie schmerzhaft etwas ist. Mir kann nichts wirklich weh tun denn alles, was ich spuere, ist die Euphorie, mit welcher ich mich in den Moment des Geschehens stuerze. Vielleicht ist das alles normal und ich habe nur noch nicht durchblickt, dass die Wahrnemung jedes Menschen so aber aus unerfindlichen Gruenden habe ich das starke Gefuehl,
dass sie durch diese Situation gepraegt wurde. Keine tiefgreifenden Emotionen, vielleicht aus Unfaehigkeit, vielleicht aus Selbstschutz. Ich weiß es nicht aber ich weiß, dass ich diese Hemmschwelle, welche sich wie eine Barrikade vor mir aufbaeumt, wenn ich am meisten etwas spueren will, ueberschreiten moechte und um meiner Zukunft Willen, ist es sogar dringend erforderlich, bestimmte Dinge zu erlangen und vor allem zulassen zu koennen.

Ich will zu jemandem sagen koennen, dass ich ihn liebe. Nicht mit gesenkter Stimme und abgewandtem Blick. Keine Umschreibungen, keine Flucht vor Situationen, in denen man demjenigen in die Augen schauen und klar und deutlich sagen will, was der Gegenueber hoeren moechte.
Ich liebe dich...
Aber ich kann es nicht. Sowohl an meine emotionalen Grenzen, wie auch die meines Sprachkoennens, stoße ich. Zugeschnuerter Hals, trockener Mund, verkrampfte Haende, Gedanken, die meinen Kopf durchfluten, Zweifel und am schlimmsten diese Stimme, die mir sagt, "Lass es dir nicht anmerken, wie schutzlos du dich gerade fuehlst. Lass dir nicht ansehen, dass du dir nicht sicher bist, dass du nicht weißt, wie du etwas aussprechen sollst, an dessen Existenz du noch zweifelst. Lass nicht zu, dass jemand deine Angst sieht."
Und dann? ...Blick abwenden, die Person den ersten Schritt machen lassen und ein leichtes "Ich dich auch." aus den Lippen pressen. Am glaubhaftesten kommt es rueber, wenn ich das Chaos aus meinem Kopf mit einem liebevollen Laecheln ueberspiele. Man darf ruhig denken, ich sei schuechtern...aber nicht, ich sei aengstlich, nicht, ich sei verzweifelt, nicht, ich verliere mich gerade im Ozean meiner Machtlosigkeit...
Auch hier trifft wieder zu, dass ich mir nicht im klaren bin, ob ich ...Liebe... wirklich tiefgruendige, allesbewegende Liebe, nicht spueren kann oder es bloß nicht will, zulassen will, zeigen will, mich nicht verwundbar machen moechte.

Mal angenommen, es liegt wirklich nur an zweiterem, ich wuerde weinend auf die Knie fallen und Gott danken. Es wuerde Platz fuer Hoffnung schaffen, mir den Sinn wiedergeben, daran zu arbeiten.

Wie man bestimmt aus dem geschriebenen erahnen kann, hatte ich noch nicht wirklich viele Beziehungen in meinem Leben. Es gab ein paar Internetbeziehungen, welche mehr Schein als Sein waren, Witze, gescheiterte Versuche, zu lernen, wie man sich auf etwas einlaesst, ohne sich gleich ganz offenbaren zu muessen.
Ich liebte die Distanz, welche man zugleich verflucht, wenn man sich erstmal stark genug eingebildet hat,
fuer einen Menschen, den man noch nie zuvor im Leben gesehen hat, etwas zu empfinden.
Und dann gab es noch eine reale Beziehung, deren Fundament aus einer virtuellen bestand.
Wir lernten uns kennen und kurz darauf zog er auch schon mit mir gemeinsam in meine neue Wohnung.
Wir waren damals beide 16 und jeder von uns trug bereits einen Berg großer Last auf seinem Ruecken,
welche uns im laufe der Jahre wieder einholen sollte.
Ich, ein von der Gemeinheit gleichaltriger gepraegter, als familiaerer Spielball empfundener Suendenbock,
rebellisch, extrem und doch ohne jedes Selbstbewusstsein, traf auf dieses gewaltvernarrten und doch sensiblen Jungen, mit bewegender Vergangenheit und durch mich aenderbarer Zukunft. Ebenso ohne Selbstbewusstsein, ebenso ohne jeglichen Andrang, der Norm, welche jedem einzelnen in diesem Land lebendem Buerger, aufgezwaengt werden soll, zu entsprechen. Wir wollten es nicht unseren Eltern recht machen, nicht den um uns herum Lebenden und erst recht nicht der Gesellschaft, zu welcher wir uns "sowieso und ueberhaupt nicht zugehoerig fuehlten und generell waren wir etwas besseres, auch, wenn wir gegenteilig behandelt wurden, vielleicht gerade deshalb! Und dass wir unsere Werte nicht verraten wuerden, um in das Idealbild dieser Neuzeit zu passen, war ja auch klar"!

Auch hier schreibe ich wieder mit einem zwinkernden Auge. Nicht, dass ich mit besagter Gesellschaft heute zufrieden waere oder unsere damalige Einstellung zu unseren Familien und unserer Umgebung, sich stark geaendert haette... Viel mehr ist es die Naivitaet, mit welcher ich aus heutiger Sicht in die Beziehung ging.
"Wir gegen den Rest der Welt". Irgendwann waren wir gegeneinander.
Ich weiß nicht, wann es begann... In dem Moment, als mir bewusst wurde, dass seine gesamte Vergangenheit, seine Identitaet nichts als der Fantasie eines Jungen entsprang, der mit allen Mitteln versuchte, aus sich einen anderen Menschen zu machen, als er war, eine andere Geschichte erzaehlen zu koennen, sein wahres Gesicht in einem Sumpf schwarzen Morastes verschwinden zu lassen?
War es, als mir bewusst wurde, dass das nicht die Gefuehlshoehen zu sein schienen, von denen ich glaubte,
dass sie mich ereilen wuerden?
Oder war es in dem Augenblick, als ich erkennen musste, dass meine Gefuehle nicht groß genug waren, um jemanden zu aendern und davon abzuhalten, mir weh zu tun, als ich bereits ahnte, dass diese Bindung nicht ewig halten wird, weil niemand von uns beiden gibt, was er glaub zu geben und niemand bekommt, was er braucht...?
Ich weiß nicht, was genau die Trostlosigkeit und diesen verdammten Egoismus, wie ein Keil, zwischen uns trieb aber wir fuegten uns sehr viel Schmerz zu. Mehr, als er stark macht, als dass er Platz fuer Vertrauen und bedingungslose Zuneigung gelassen haette aber zu wenig, um getrennte Wege zu gehen.
Zu wenig, um der Wahrheit, welche die ganze Zeit ueber vor unseren Augen herumtaenzelte und uns schadenfroh ins Gesicht lachte, ins Auge blicken zu koennen.
Wie wir die naechsten Jahre zu einander standen, ist kaum in Worte zu fassen.
Zwischen all diesen Aengsten, etwas, vielleicht das einzige, zu verlieren, was einen haelt und diesen ungeheuren Zorn, welchen wir gegeneinander hegten, wurden wir wie siamesische Zwillinge, wie ein altes Ehepaar, welches nurnoch aus Gewohnheit beieinander ist und zu gleich, wie verirrte, vom Schicksal zusammengefuehrte Seelen, welche dazu auserwaehlt wurden, einander zu tragen.
Getrennte Betten, getrennte Zimmer, getrenntes Leben, geteiltes Leid.
Jeder vegitierte hinter seinem Schreibtisch vor sich hin, ging verloren in selbsterdachten Welten, entwickelte eigene Weltbilder und eigene, sich von einander stark unterscheidende Zukunftsplaene.
Wir verloren die Menschen aus den Augen, welche wir in uns sahen, als wir uns voll jugendlicher Neugierde und der Ungeduld darauf, etwas bestaendiges in unserem Leben zu schaffen, in eine Hoffnung stuerzten,
welche nach kurzem in sich selbst zusammenstuerzte und nichts als vernarbte Herzen zwischen Truemmern kindlicher Romantik hinterließ.

Bis heute leben wir Zimmer an Zimmer, stehen hinter einander und sind Gefangene unserer Wunschtraeume von vor 4 Jahren. Ich habe ebenso viel Zeit mit der Hoffnung auf Besserung unseres Zusammenlebens verbracht, wie mit der Traeumerei, eines Tages aus diesem Albtraum rausgerissen zu werden.
Dieser Moment, wenn es in einem Traum kurz davor ist, dass etwas schlimmes, erschreckendes passiert,
man sterben oder nach einem langen Fall auf dem Boden aufkommen soll, sich sagt, wach auf, wach auf und man ploetzlich wach wird, unruhig und mit einem kalten Hauch im Nacken...
Wie oft lag ich nachts in meinem Bett, das Kissen nassgeweint und betete darum, aufzuwachen.

Es passierte nicht. Meine Kraefte, zu kaempfen, zu traeumen, schwanden dahin wie Samen einer Pusteblume, auf welche der zarte Atem eines Kindes trifft.
Und irgendwo auf dem Weg richtung Sieg oder Niederlage, habe ich mich selbst verlassen.
Ich sah den Kadaver meines Ichs, ueberzogen von einem Schleier aus Resignation und Ignoranz,
auf dem Scherbenhaufen liegen, welchen wir anrichteten und ich habe ihn liegen gelassen.
Ich habe meine eigenen Beduerfnisse vergessen, den Tag meiner Selbstbefreiung aufgeschoben, wieder und wieder, so lang, bis mich entgueltig der Mut verlassen hat, ich gar lernte, die Situation wertzuschaetzen.

Wenn es doch bloß so waere, dass ich irgendwann aufgehoert haette, ihn zu lieben...
Aber die Wahrheit ist viel grausamer als das, viel zerstoerungswuetiger, kompromissloser...
Denn es ist die an einem nagende Gewissheit, nicht genug geboten zu haben, nicht geliebt zu haben,
niemanden je geliebt zu haben, nicht, wenn man glaubte, es zu tun und nicht, wenn man wusste,
dass man es nicht tat. Einfach nie...

Ich glaube, man hat aufgehoert, jemanden zu lieben, wenn man ihm nicht mehr mit einem Laecheln im Herzen, das schoenste Stueck Fleisch, den groeßeren Teil  Brot oder die letzte Praline, nach welcher man sich selbst verzehrt, gibt.

Ich weiß, so einfach, wie es klingt, ist es natuerlich nicht... aber so, wie ich es meine, so ist es.

Fuer die Zukunft wuensche ich mir natuerlich, dass ich den Menschen finde, von dem ich weiß,
dass ich den Rest meines Lebens mit ihm verbringen moechte, weil ich ihm vertraue, er die hoechsten, einst verschwundenen, Gefuehle aus mir herauslocken kann und im Stande ist, den Anspruechen und Erwartungen, welche ich im Laufe der Jahre, zwischen Maerchenbuechern und der Realitaet, aufbaute, gerecht zu werden, ohne, dass mich gleichzeitig die Sorge ergreift, nicht auch genuegen zu koennen
doch ich weiß, dass der Mensch, welchen ich in der Bluete meiner Jugend zu meinem Gefaehrten ernannte und welcher mir in all der Zeit nicht von der Seite wich, immer ein wichtiger Teil meines Lebens sein wird.
Vielleicht wuerde ich nur dann gluecklich werden koennen, wenn ich gehen und ihn dann aus meinem Gedaechtnis ausradieren koennte doch das geht nunmal nicht. Er ist und bleibt die Versinnbildlichung eines Traums, den ich einmal hatte. Er bleibt ein Schatten in meinem Kopf, eine ermahnenede Stimme, ein Schrei meiner Seele, dessen Hall mich noch viele Jahre, wenn nicht bis ins Grab, einholen wird.

Ich weiß, dass ich schnell etwas aendern muss, bevor auch der letzte Gedanke an eine Zukunft, wie ich sie mir wuensche und von der ich weiß, dass ich sie mit ihm nicht haben werde, verflogen ist
aber die Kraft dazu zu finden, nach Zeiten der Isolation und der immer wiederkehrenden Bestaetigung, dass ich sonst niemanden habe, der auch nur annaehrend so fuer mich sorgen wuerde, im Haertefall immer an meiner Seite stuende und mich fuer niemanden verraten koennte, ist unheimlich schwer.
So schwer, dass ich manchmal daran denke, es einfach aufzugeben.

Es ist jetzt 8:15 Uhr. Der morgendliche Joint macht sich nicht bemerkbar. Dafuer aber das dringende Beduerfnis, mich zurueck in mein Bett zu kuscheln und den vor meinem Fenster hin und her fahrenden Autos zu lauschen, den Fußschritten der Passanten, der Arbeitsklasse, wie sie sich voll Vorfreude auf das baldige Weihnachtsfest in die letzten Vorbereitungen stuerzt.

8:22 Uhr: Und genau das werd ich jetzt tun.

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